Dieses Dokument dient ausschließlich zu Informationszwecken. Das das
Dokument hier ist, heißt weder, daß der
Author von Just say KNOW! es erstellt hat oder mit dem Inhalt konform geht.
Auf keinen Fall will er zum Konsum von Drogen anregen !
Emotionelle und sexuelle Aspekte flüchtiger Nitrite (Poppers)
Original: Psychosexual Aspects of the volatile Nitrites
Autor: T. D. Lowry; M. D. Chief; Departement of Psychiatry, Kaiser Foundation Rehabilitation Center, 975 Sereno Drive, Vallejo, CA 94590
Quelle: Journal of Psychoactive Drugs, Jan-Jun 1982, Vol 14(2): 77-79
Übersetzung: Dr. rer. nat. D. Moller
Inhalierbare Nitrite stehen von allen Drogen den echten Aphrodisiaka
am nächsten. Ca. 250 Mio.
Dosen werden jährlich alleine in den Vereinigten Staaten konsumiert. Sechs Eigenschaften dieser
bemerkenswerten Substanzen wollen wir untersuchen: Chemie, Verfügbarkeit, Wirkung,
soziologische
Aspekte, Toxikologie und die gesetzliche Lage.
Die flüchtigen Nitrite sind gelbliche brennbare Flüssigkeiten mit einem Geruch, der
verschiedentlich beschrieben wird als "fruchtig" oder "alte Sportsocken" (die genaue
Geruchsnote hängt ab von der Qualität des Stoffes und der Art der Lagerung, d.Ü.). Sie sind
instabil und zersetzen sich unter Einfluss von Licht, Hitze und Sauerstoff. Es gibt zwei
(hauptsächlich, d.Ü.) verwendete Formen: Amylnitrit - über ein Jahrhundert lang in der
Kardiologie als Medikament gegen Angina Pectoris verschrieben - und Butylnitrit, das als
"Raumaroma" unter Namen wie z.B. "Quicksilver", "Hardware", "Rush" und einem Dutzend anderer
Handelsnamen vermarktet wird. Die Hersteller vermeiden es, Ihre Produkte als "Drogen" zu
bewerben und verlassen sich auf Mundpropaganda und Markentreue, ein Leichtes in der
Homosexuellenszene, wo Nitritgebrauch weit verbreitet ist. Die meisten Heteros kennen Poppers
nicht. Lediglich professionelle Berater wurden durch frühere Publikationen und
Fachkongresse
vertrauter mit den sozialen Funktionen der Nitrite.
Von 1961 bis 1969 war Amylnitrit in den USA frei erhältlich, wurde aber nach einer Anhörung der
"Food and Drug Administrätion" (FDA) wieder auf den Index gesetzt, obwohl kein Beweis für eine
schädliche Wirkung auf der Anhörung präsentiert wurde. Amylnitrit-Verbraucher aus dem Südwesten
der Staaten reisten daraufhin nach Mexiko, wo sie kein Rezept zum Kauf benötigten. Butylnitrit
erhält man in Spezialgeschäften, Erwachsenen-Buchhandlungen, im Postversand und in einigen
Spirituosengeschäften. Amylnitrit wurde (früher, d.Ü.) in 0,3 ml Brechampullen angeboten (heute,
wie auch), Butylnitrit in Schraubflaschen. Beide sollten kühl und dunkel gelagert
werden.
Die grundlegende pharmakologische Wirkung der Nitrite ist eine Entspannung der
glatten,
vaskulären Muskulatur. Seine positive Wirkung auf das Herz beruht auf einer Entspannung seiner
Arteriolen, die einen Blutdruckabfall mit resultierender Tachykardie (schneller Puls, d.Ü.) und
einer Leistungsabnahme des linken Ventrikels (Herzvorkammer) zur Folge hat. Der Abfall des
Blutdruckes dauert maximal 30 Sekunden und beträgt im Schnitt 30 mm (Quecksilbersäule,
systolischer Druck). Nach maximal 2 Minuten ist er wieder normal. Der Benutzer erlebt ein Gefühl
von Wärme, Schwindel und Herzklopfen. Gesicht und Oberkörper erröten. Die individuelle Reaktion
variiert mit dem Allgemeinzustand (insbesondere dem vorherigen Blutdruck, d.Ü.), den Erwartungen
des Benutzers, der Körperchemie und variiert von kosmischen Glücksgefühlen bis hin zu Übelkeit
und Kopfschmerzen.
Psychische Effekte der Chemikalien werden durch Reaktionen der Gehirnphysiologie
hervorgerufen. Wie bei den meisten anderen psychoaktiven Substanzen (z.B. Alkohol,
Morphium, LSD) ist der
Wirkungsmechanismus nicht voll bekannt. Ein älterer Artikel (Lowry, 1980) über Studien über
Amylnitrit seit 1914 zeigen, dass der Haupteffekt auf das Gehirn in einer Erweiterung
verschiedener Arterien und Venen besteht, der ein Anschwellen des Gehirnes und einen verstärkten
Blutdurchfluss zur Folge hat. Der cerebrospinale Flüssigkeitsdruck steigt. EEG-Studien an fünf
Freiwilligen (Lowry, 1979b) zeigten aber keine krankhaften Veränderungen. Die übliche Antwort
war eine Alarmreaktion mit einer Verschiebung von Alpha- zu Betawellen. Marcus (1979) studierte
die Reaktionen verschiedener Gehirnbereiche. Es gab grosse Änderungen in der (EEG-)Amplitude,
die sich binnen 15 Minuten wieder normalisierten. Die Bedeutung dieser Veränderungen ist
unbekannt. Matthews (1981) studierte Änderungen des cerebralen Blutflusses unter Wirkung von
Butylnitrit mit radioaktivem Xenon als Marker. In Kurzfassung fand er heraus, dass die mentalen
Effekte ähnlich sind wie bei Sauerstoffmangel.
Die soziale Bedeutung der Nitrite beinhaltet Tanzen und Sex. In (schwulen) Discos
werden Nitrite
auf der Tanzfläche inhaliert, wobei man die Kombination von Rhythmus, Licht,
Drogen und
sozial-/sexueller Erregung geniesst.
Bei speziell sexueller Verwendung kann die Nitritwirkung in zwei Bereiche aufgeteilt
werden: Das
Vorspiel (ein furchtbar liebloses Wort für eine der wichtigsten Freuden auf Erden) und der
Orgasmus beim sexuellen Akt. Beim Vorspiel haben die Nitrite einen enthemmenden Effekt. Sie
befähigen den Benutzer, seine Hautoberfläche mit verdoppelter Intensität zu fühlen. Viele Frauen
empfinden Nitrite als nützlich zur Ablenkung von störenden Gedanken - nicht erledigte Arbeiten,
Kinder, körperliche Reaktionen und täglicher Haushaltsärger - verbunden mit einer Hingabe an den
Augenblick, lebenswichtig für volles sexuelles Erleben. Natürlich kann keine Droge Vertrauen,
Nähe und Respekt vor dem Partner ersetzen, aber unter positiven Voraussetzungen können Nitrite
den Prozess des "sich Fallenlassens" erleichtern. Viele Benutzer beschreiben ein Gefühl von
Zeitlosigkeit, ein völliges Untertauchen im Augenblick des Erlebens. Das sexuelle Eindringen
wird dadurch für beide erleichtert, für die Partner ein ergreifendes Erlebnis. Auch das anale
Eindrungen klappt besser, vermutlich durch Muskelentspannung und verringerte Schmerzempfindlichkeit.
Wenn es kurz vor dem Orgasmus inhaliert wird, kann der Benutzer ein Gefühl der Heiterkeit und
Gelassenheit erfahren, eine Befreiung von Bewegung und Sprache. Die Wahrnehmung des Orgasmus ist
verlängert, intensiv und abgehoben. Das innere Auge kann mit rasch wechselnden Mustern von
Farben und Formen erfüllt sein, die oft symbolische Darstellungen des sexuellen Moments
enthalten. Eine häufige visuelle Manifestation ist ein hellgelber Fleck mit lila Umrandung.
Dieses Phänomen ist derart konsistent, dass es Aspekte der Neurophysiologie der
Nitrite
darstellen muss.
Die Toxikologie beginnt mit der Wahrheit "Alles was sich so gut anfühlt, muss schlecht für Dich
sein". Glücklicherweise ist das Verhältnis von Nutzen zu Schaden bei den Nitriten günstiger als
bei den meisten anderen psychoaktiven Substanzen. In den USA werden jährlich
etwa 250 Mio. Einzeldosen konsumiert und davon ist nicht ein einziger Todesfall
dokumentiert.
Die häufigste Nebenwirkung sind Kopfschmerzen, die bei 43% der Benutzer bei mindestens einer
Gelegenheit auftraten. Allerdings haben die meisten Benutzer bei den meisten Gelegenheiten keine
Kopfschmerzen. Bei einer Untersuchung von 255 erfahrenen Benutzern (Lowry, 1979c) hatten 10%
mindestens einmal Reizungen der Nasenschleimhäute und 5% beschrieben Übelkeit und einen
zeitweiligen Verlust Ihrer Erektion. Diese negativen Effekte werden meistens mit übermässigem
Gebrauch oder mit bestimmten Marken in Verbindung gebracht und spiegeln vielleicht die
Produktqualität wieder oder auch Lagerungsprobleme. 30% der neu eingestellten Arbeiter in einer
Nitritabfüllfabrik verspürten Kopfschmerzen. Das ist vergleichbar zu den vaskulären
Kopfschmerzen, die Arbeiter in Nitroglycerinfabriken früher hatten.
Swenson (1978) führte Lungenfunktionsprüfungen an 20 Männern durch, die Poppers ca. 4 mal täglich
über etwa sieben Jahre benutzt hatten. Die Ergebnisse wurden mit einer Kontrollgruppe
von Nicht-Poppersbenutzern verglichen. Es gab keine signifikanten Unterschiede
in der Lungenfunktion,
obwohl die Benutzergruppe viel mehr Tabak und Marihuana rauchte als die Kontrollgruppe.
In den USA dokumentierte die "Drug Abuse Warning Network" (DAWN) ca. 1,35 Mio. ärztliche
Behandlungen nach Drogenmissbrauch, davon nur 67 nach Inhalation flüchtiger Nitrite. Es gab
keine Todesfälle. In einer Untersuchung mit 605 Notfallärzten (Lowry, 1979a) hatten 592 noch nie
einen Patienten mit Problemen nach der Inhalation flüchtiger Nitrite gehabt. 13 beschrieben
Patienten mit vorübergehenden Kopfschmerzen oder Methämoglobinämie. Der Autor
dieses Essays interviewte 10 Patienten, die je 1 Dutzend Ampullen Amylnitrit
oder aber eine ganze Flasche
(12 ml) Butylnitrit an einem Abend verbraucht hatten und keine wahrnehmbaren
Krankheitssymptome aufwiesen. Es scheint, dass auch massiver Missbrauch eine
weite Sicherheitsspanne aufweist.
Allerdings liegen die Dinge bei oraler Aufnahme anders. Shesser (1980) beschrieb
einen Todesfall
durch Methämoglobinämie. Ein 30-jähriger Mann hatte 12 ml Butylnitrit getrunken. Smith (1980),
Steiner (1980) und Wason(1980) beschrieben alle Fälle ernster Methämoglobinämie nach Aufnahme
von Butylnitrit. In diesen Fällen brachte die intravenöse Gabe 10%-iger Methylenblaulösung
sofortige Besserung und volle Heilung. Der Autor dieses Essays hörte auch von
einem (undokumentierten) Todesfall eines Mannes, der einige Stunden nach der
Injektion von Amylnitrit
in die Jugularvene starb.
Um die Bedeutung der Toxizität zusammenzufassen: Deide Nitrite scheinen relativ sicher zu sein,
wenn sie inhaliert werden und eindeutig toxisch, wenn sie geschluckt oder injiziert werden.
Seit die Beschriftung von Butylnitritflaschen eindeutig vor dem Verschlucken warnt, scheint es,
dass nur noch die leichtsinnige Missachtung der verfügbaren Informationen zu ernsthaften
Verletzungen führen könnte.
Die rechtliche Situation von Amylnitrit ist klar: ein verschreibungspflichtiges
Medikament. Der Status von Butylnitrit variiert je nach Staat und Zeit. Verschiedene
Staaten versuchten, den
Verkauf zu verhindern mit der Begründung der Gefährdung der öffentlichen Gesundheit (...) andere
Staaten stoppten diese Versuche, da keine eindeutig schädigende Wirkung nachgewiesen
wurde. Die FDA hat keine klare Position zu Butylnitrit bezogen, legt aber Wert
auf genaue Warnhinweise.
Die Psychologie und Soziologie staatlicher Restriktionen ist eine Betrachtung
wert. Die üblichen
Behauptungen sind, dass die fraglichen Substanzen entweder "keinen legalen Verwendungszweck
haben" oder eine "Missbrauchsdroge" wären oder "nur zur Entspannung benutzt werden". Die
dahinterliegende psychologische Täuschung ist, dass jede Substanz, deren einziger
Zweck das
Verschaffen von Lust ist, a priori schlecht sein muss. Dies zeigt eine
klar puritanische
Grundhaltung, mit der man Aktivitäten beschränkt, die weder nützlich noch produktiv sind.
Amerika hat ein reiches gemeinsames Erbe an Verteufelung aller Aktionen, die anderen Personen
Vergnügen bereiten können.
Andererseits macht die Legislative aber Ausnahmen für psychoaktive Substanzen, die die
herrschende Bevölkerungsschicht benutzt. Dies schliesst jene sozioökonomischen Gruppen ein, die
die Gesetze machen, sowie Konsumenten von Produkten wie Alkohol, Tabak und Kaffee. Eine
"Missbrauchsdroge" ist fast immer nicht in der herrschenden Klasse verbreitet. Die sozialen
Ürsprünge staatlicher Entscheidungen über psychoaktive Substanzen sind es sicher
wert, weiterhin
aufmerksam verfolgt zu werden.
Quellen:
- Lowry, T. P., 1980: Neurophysiological Aspects of amyl nitrite. Journal of Psychedelic Drugs,
Vol. 12 (1), 73-74
- Lowry, T. P., 1979a: Amyl nitrite: A toxicological survey. In: Nickerson, M. (Ed.) Isobutyl
Nitrite and Related Compounds., San Francisco: Pharmex, Ltd.
- Lowry, T. P., 1979b: Amyl nitrite and the EEG: A pilot study. Journal of Psychedelic Drugs,
Vol. 11 (3), 239-41
- Lowry, T. P., 1979c: The volatile nitrites as sexual drugs: A user survey. Journal of Sex Education and Therapy, Vol. 5, 8-10 Marcus, M., 1979: Personal Communication
- Mathews, R., 1981: Personal Communication
- Shesser, R., 1980: Fatal methemoglobinemia from butyl nitrite ingestion. Annals of Internal Medicine, Vol. 92 (1), 131
- Smith, M., 1980: Butyl nitrite and a suicide attempt. Annals of Internal Medicine, Vol. 92 (5), 719
- Steiner, R. W., 1980: Butyl nitrite and methemoglobinemia. Annals of Internal Medicine, Vol. 92, 570-71
- Swenson, E., 1979: Spirometry in men who regulary inhale butyl or isobutyl nitrite. In: Nickerson, M. (Ed.). Isobutyl Nitrite and Related Compounds. San Francisco: Pharmex, Ltd.
- Wason, S., 1980: Isobutyl nitrite toxicity by ingestion. Annals of Internal Medicine, Vol. 92 (5), 637-38