From: hanfnet Date: 97-09-29 10:39:01 EDT Bonn, 29. September (AFP) - Das Votum der Schweizer fr die dort praktizierte liberale Drogenpolitik hat einen Konflikt in der Regierungskoalition in Bonn ausgel”st. Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Eduard Lintner (CSU), betonte am Montag, er halte an seinem bisherigen, harten Kurs fest. Eine kontrollierte Drogenabgabe durch den Staat fhre in der Regel nicht zur Befreiung Abh„ngiger vom Heroinkonsum. Dagegen sprach sich FDP-Generalsekret„r Guido Westerwelle dafr aus, auch in Deutschland Drogen unter staatlicher Kontrolle an Schtige abzugeben. Die Entscheidung der Schweizer sei eine "Herausforderung fr eine liberalere Drogenpolitik in Deutschland". Auch Bndnis90/Grne und die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) begráten den Ausgang des Referendums in der Schweiz. In der Volksabstimmung hatten die Schweizer am Sonntag entschieden, daá dort die bisherige Drogenpolitik fortgesetzt wird. Mit 70,6 gegen 29,4 Prozent der Stimmen wurde das Ansinnen der konservativen Initiative "Jugend ohne Drogen" abgelehnt, die streng kontrollierte Abgabe von Heroin an Schtige zu stoppen. Lintner sagte der Nachrichtenagentur AFP, das Votum der Schweizer "entkr„ftet nicht unsere Argumente". Auch eine kontrollierte Drogenabgabe wrde bei vielen Abh„ngigen einen Ausstieg aus der Sucht eher verhindern. Lintner verwies darauf, daá sich nur etwa 40 Prozent der Schweizer an der Abstimmung beteiligt h„tten. Die hohe Zustimmung zur Abgabe von Heroin sei auch zustandegekommen, weil die Menschen im Nachbarland froh ber den Rckgang der offenen Drogenszene etwa in Zrich seien. Dieser h„nge aber "mit dem sch„rferen Polizeieinsatz" zusammen. Auch CSU-Generalsekret„r Bernd Protzner erkl„rte, seine Partei werde bei einer Heroinabgabe an Abh„ngige und der Einrichtung von Fixerr„umen nicht mitmachen. Dagegen betonte Westerwelle nach einer FDP-Pr„sidiumssitzung: "Wir halten die kontrollierte Abgabe von Drogen durch Žrzte zu Behandlungs-, Šberbrckungs- oder Entzugszwecken fr erforderlich, um Drogenschtige aus dem Teufelskreis von Drogenkonsum und Beschaffungskriminalit„t herauszul”sen." Nur mit einem liberalen Ansatz, der Hilfe und nicht Strafe fr Drogenschtige in den Vordergrund rcke, k”nne der enormen Bedrohung durch Drogen erfolgreich entgegengewirkt werden. Die frhere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte Lintner im Sdwestfunk auf, "endlich seine sture, ideologiebegrndete Blockadehaltung aufzugeben". Die „rztlich kontrollierte Abgabe von Heroin an Schwerstabh„ngige msse im Rahmen eines Modellprojektes auch in Deutschland m”glich werden. Vorliegende Gesetzesinitiativen fr eine liberalere Drogenpolitik sollten endlich mit den Stimmen der Koalition verabschiedet werden. Die Grnen-Politiker Rezzo Schlauch und Monika Knoche begráten das Votum der Schweizer als "Absage an eine ideologische Drogenpolitik, die nur auf Repression setzt und Verelendung und Beschaffungskriminalit„t bewuát in Kauf nimmt". Auch DHS-Gesch„ftsfhrer Rolf Hllinghorst wertete den Ausgang des Referendums als "ein gutes Signal". Es erm”gliche, den Suchtkranken so zu helfen, "wie sie es brauchen". Es sollten nicht "ideologisch alte Moralvorstellungen hervorgekramt werden, die das Problem nicht l”sen". Hllinghorst betonte aber, vorrangiges Ziel einer kontrollierten Drogenabgabe msse es sein, Abh„ngige von ihrer Sucht zu befreien. Die Interviews mit Schnarrenberger und Hllinghorst wurden in redaktioneller Fassung bermittelt.+++ bk/dja C AFP 291604 SEP 97