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Pille zu Gott

Tabubruch im Labor: US-Forscher wagten wieder Experimente mit psychedelischen Drogen. Ihren Testpersonen reisten in ein mystisches Traumland.

Aus "Der Spiegel" 33/06 vom 14.08.06, S. 133

Um acht Uhr morgens machten es sich die Versuchsteilnehmer in einer Art Wohnzimmer gemütlich. Sie lagen auf einer Couch, aus dem Kopfhörer dudelte leise Musik. Zwei Betreuer ließen sie keine Sekunde aus den Augen. Gegen neun Uhr bekamen sie eine Gelatinekapsel, in der der LSD-ähnliche Pilzwirkstoff Psilocybin steckte. Wenig später waren die Bilder in ihrem Kopf nicht mehr von dieser Welt.

Drei Dutzend freiwillige Probanden waren von Forschern der angesehenen Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore auf den psychedelischen Trip geschickt worden. Das Experiment zeigte, zu welchen sinneserweiternden Grenzerfahrungen die Einnahme halluzinogener Pilze führen kann - ein Effekt, den schon spätsteinzeitliche Schamanen und kalifornische Hippies zu schätzen wussten.

22 Versuchsteilnehmer machten durch die psychoaktive Substanz, die chemisch mit dem Hirnbotenstoff Serotonin verwandt ist, eine vollständige mystische Erfahrung: Sie fühlten sich entgrenzt, Zeit und Raum versanken, Gefühle von tiefer Ehrfurcht, Freude und Liebe überwältigten sie. „Viele berichteten von einer direkten, persönlichen Erfahrung mit einer jenseitigen Welt", erklärt Psychopharmakologe Roland Griffiths, Initiator des Versuchs.

Für jeden dritten Probanden war die Psilocybin-Reise das aufwühlendste spirituelle Abenteuer seines bisherigen Lebens. Zwei von drei Teilnehmern verglichen die drogenvermittelte Bewusstseinserweite-rung mit so einschneidenden Erlebnissen wie der Geburt des ersten Kindes oder dem Tod eines Elternteils. Noch zwei Monate nach dem kosmischen Rausch auf der Couch waren knapp 80 Prozent der Versuchskaninchen mit ihrem Leben zufriedener als zuvor.

Dass Wissenschaftler wieder mit Psychodrogen experimentieren, ist ein Tabubruch. Nur unter großen Sicherheitsvorkehrungen betraten die US-Forscher das seit Jahrzehnten gemiedene Terrain. Schon in den fünfziger und sechziger Jahren hatten klinische Untersuchungen mit halluzinogen wirkenden Pilzbestandteilen stattgefunden. Beim „Good Friday Experiment" Anfang der sechziger Jahre etwa gab der US-Arzt Walter Pahnke an der Harvard University einigen Theologiestudenten während eines Gottesdienstes Psilocybin - der Forscher wollte ergründen, ob man „mystische Erlebnisse wissenschaftlich im Labor reproduzieren und untersuchen" kann.

Doch die Drogenexzesse der Beatniks sorgten für die Verbannung der psychedelischen Substanzen aus den Universitäten: Die Forschung mit bewusstseinserweiternden Stoffen wurde für fast vier Jahrzehnte auf Eis gelegt. Um ausgeflippte Mitglieder des Wissenschaftsbetriebs wie den Ex-Harvard-Dozenten und späteren Propheten des LSD-Rauschs, Timothy Leary („Turn on, tune in, drop out"), kümmerte sich die US-Drogenpolizei.

„Unsere Studie ist eine der ersten, die sich wieder auf dieses Gebiet vorwagt", erklärt Griffiths. Irrtümer und Verzerrungen in der Versuchsanordnung wurden dabei systematisch ausgeblendet: Weder Teilnehmer noch Betreuer wussten, ob die undurchsichtigen Gelatinekapseln Psilocybin oder ein Placebo enthielten. Die „mystische" Qualität der Jenseits-Erfahrungen wurde mit einem ganzen Arsenal von standardisierten psychologischen Fragenkatalogen gemessen.

Auch an anderen Forschungslabors laufen derzeit Experimente mit halluzinogenen Drogen wieder an. Das Fachblatt „Nature" wertete die Wiederauferstehung der wissenschaftlichen Bewusstseins-erkundungen als „stille Revolution". Der Einsatz freiwilliger Probanden lässt sich dabei vertreten, weil klassische Hallu-zinogene wie LSD oder Psilocybin nicht hirnschädigend wirken - anders als Ecstasy, Am-phetamine oder Alkohol. Auch die Gefahr, dass die Stoffe süchtig machen, halten die Experten für gering.

Therapeutisches Potential könnten die psychoaktiven Substanzen eines Tages bei der Bekämpfung von Schmerzen, Todesangst und Depressionen oder bei der Behandlung von Drogenabhängigen entfalten.

Ob Psychopillen auch zu Gott führen können, konnten die Betreiber des Experiments nicht beantworten. Dennoch dürfte ihre Pionierarbeit dazu beitragen, auch die neurobiologischen Grundlagen von spirituellen Erfahrungen oder religiöser Ekstase eines Tages besser zu verstehen.

Der Weg bis zu solchen Erkenntnissen ist freilich noch mit Unwägbarkeiten gepflastert. Fast jeden dritten Teilnehmer des US-Experiments quälten beim Schweben in metaphysischen Sphären moderate bis starke Ängste - den Odem des Göttlichen zu spüren war offenbar nicht immer das reine Vergnügen. Bei einigen der Probanden verzeichneten die Wissenschaftler Anflüge von Verfolgungswahn.

Die Exkursion der Psychopharma-kologen ins Reich des Numinosen bleibt deshalb mit einer Warnung versehen. „Ohne therapeutischen Beistand", so Griffiths, „könnten solche Gefühle leicht zu Panik und gefährlichem Verhalten eskalieren."

Günther Stockinger


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